Der Geschädigte eines Verkehrsunfalles hat die Entscheidung, ob er „konkret“ oder „fiktiv“ mit der Schädigerseite abrechnet. Bei einer konkreten Abrechnung wird das Fahrzeug instandgesetzt und der Rechnungsbetrag gefordert – bei einer fiktiven Abrechnung lässt sich der Geschädigte den Geldbetrag für die Instandsetzung nach Gutachten ausbezahlen. Letztendlich ist der Geschädigte bei der Verwendung des Schadensbetrages frei. In diesem Beitrag geht es lediglich um die „fiktive Abrechnung“.
Reicht der Geschädigte sein Schadensgutachten bei der gegnerischen Versicherung ein, um den darin prognostizierten Reparaturbetrag zu erhalten, erfolgt mittlerweile regelmäßig als Reaktion die Zusendung eines Prüfberichtes, in dem auf günstigere Stundenverrechnungssätze einer markenfreien Werkstatt verwiesen wird. Im Ergebnis führt dieser Verweis zu einem geringeren Erstattungsbetrag.
Der Verweis auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit ist nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) unter bestimmten Voraussetzungen tatsächlich möglich:
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- Die Reparatur in der freien Werkstatt muss von Qualitäts- und Leistungsstandard der einer markengebundenen Werkstatt entsprechen.
- Die Verweiswerkstatt muss für den Geschädigten mühelos erreichbar sein.
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Ein Verweis auf eine günstige Werkstatt ist unter nachfolgenden Voraussetzungen für den Geschädigten allerdings unzumutbar:
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- Das Fahrzeug ist nicht älter als 3 Jahre.
- Das Fahrzeug ist zwar älter als 3 Jahre, wurde aber ununterbrochen in einer markengebundenen Werkstatt gewartet und repariert.
- Die Verweiswerkstatt ist nur günstiger, weil zwischen dieser und der Versicherung Sonderkonditionen bestehen; es sich mithin nicht um allgemein zugängliche Preise handelt
- Die Verweiswerkstatt bietet keinen kostenlosen Hol- und Bringservice
- Die Verweiswerkstatt ist nicht mühelos erreichbar.
Die Rechtssprechung ist in diesem Punkt nicht einheitlich. Es gibt keine starre Grenze, ab welcher Entfernung zwischen Wohnort und Werkstatt Unzumutbarkeit vorliegt. Entscheidend ist nicht nur die Entfernung, sondern auch, in welcher Fahrzeit die Werkstatt erreicht werden kann. So hat das Amtsgericht München als auch das OLG München den Verweis auf eine Werkstatt bei einer Entfernung von 17,3 km abgelehnt, weil die Fahrzeit zu dieser mit öffentlichen Verkehrsmitteln über eine Stunde betrug.
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Vereinzelt gibt es auch Gerichte, die einen Prüfbericht generell nicht als Grundlage für einen Werkstattverweis akzeptieren. Diese sind aber (noch) die Ausnahme.
Bei einer Verweisung auf günstigere Stundenverrechnungssätze einer freien Werkstatt ist außerdem Vorsicht geboten. Die in den Prüfberichten enthaltenen Sätze entsprechen aus eigener Erfahrung oft nicht der Realität und stellen sich bei direkter Nachfrage bei den Werkstätten als veraltet heraus. Offenbar werden diese nicht oder nicht regelmäßig aktualisiert.
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